Es wird knapp / Kommentar von Jens Kleindienst zur Parlamentswahl in Frankreich


Allgemeine Zeitung Mainz

Mainz (ots)

Sieben Wochen ist es her, dass die Franzosen ihren Präsidenten Emmanuel Macron mit einem zweiten Mandat ausgestattet haben – die Stichwahl gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen konnte er einigermaßen deutlich für sich entscheiden. Nun folgt der zweite Akt: An diesem und am kommenden Sonntag werden die 577 Sitze in der Nationalversammlung neu vergeben. Dabei entscheidet sich, ob Macron seine Agenda mit einer eigenen parlamentarischen Mehrheit im Rücken angehen kann. Das komplizierte Wahlsystem – abgestimmt wird in zwei Runden, bei denen sich pro Wahlkreis letztlich nur ein Kandidat durchsetzt – bringt es mit sich, dass Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind. Eines ist aber schon klar: Eine bequeme Drei-Fünftel-Mehrheit für den Präsidenten wird es nicht mehr geben. Wenn es gut läuft für Macron, schafft sein liberales Bündnis „Ensemble“ eine knappe Majorität. Das liegt vor allem an der Linken, die es mit Jean-Luc Mélenchon an der Spitze tatsächlich geschafft hat, vereint zu marschieren. Man kann geißeln, dass verzwergte Sozialisten und gerupfte Grüne sich bei dem links-nationalen Volkstribun untergehakt haben, zu dessen Wahlkampfschlagern stets ein rustikales Europa-Bashing gehört. Doch geht es darum, mit der „Nouvelle union populaire écologique et sociale“ (Nupes) ein linkes Gegengewicht zu Macrons starker Mitte zu etablieren. Dass sich Mélenchons Plan erfüllt und Macron ihn zum Premier ernennen muss, ist nicht zu befürchten. Eine erstarkte Linke könnte ihn jedoch zwingen, seinem Reformprogramm eine soziale Note zu verpassen, was gut für Frankreich wäre. Auf der rechten Seite droht den gemäßigt konservativen „Républicains“, bisher die größte Oppositionskraft, der Sturz in die Bedeutungslosigkeit – Macrons Öffnung nach rechts hat ihnen den Stecker gezogen. Auch Marine Le Pen wird sich wohl mit einigen Dutzend Sitzen begnügen müssen. Vor Wochen konnte sie noch von mehr als 100 Mandaten für ihren „Rassemblement National“ träumen. Im April hatten die Franzosen sogar kurz mit dem Gedanken an eine Präsidentin Le Pen geflirtet, doch ist das glücklicherweise vorbei. Es läuft also nicht schlecht für Emmanuel Macron – auch wenn die französischen Wähler immer für eine Überraschung gut sind.

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