Schwarz–Grün / Kommentar von Friedrich Roeingh zur Landtagswahl in NRW


Allgemeine Zeitung Mainz

Mainz (ots)

Eines kann man aus allen Vorhersagen zu den letzten drei Landtagswahlen ableiten: Die letzten Trends verstärken sich im Wahlergebnis noch. In NRW ist das der Höhenflug der Grünen. Und es ist genauso der Vorsprung von Ministerpräsident Hendrik Wüst und der CDU vor seinem Herausforderer Thomas Kutschaty und der SPD. Die SPD hat in ihren angestammten Hochburgen noch weniger mobilisiert als vor fünf Jahren. Sie wird bei der Regierungsbildung in Düsseldorf keine Rolle spielen – auch wenn sich Grüne und Genossen ihre taktischen Spielmöglichkeiten noch nicht nehmen lassen möchten. Zumindest nicht, bis klar ist, ob die FDP überhaupt noch einmal in den Landtag einzieht oder rausfliegt. Was für ein Absturz für die Liberalen, was für ein Sieg für die Grünen, die ihr vorheriges Ergebnis fast verdreifachen konnten. Bei den Grünen haben Annalena Baerbock und Robert Habeck die Wahl gewiss mitgewonnen. Die Wählerwanderungen in NRW zeigen, dass die zweifache Zeitenwende Krieg und Klimawandel den Grünen auch an Rhein und Ruhr Wählerpotenziale in allen bürgerlichen Lagern erschlossen hat. Für die FDP aber sind die jüngsten Landtagswahlergebnisse eine dreifach klingende Alarmglocke. Ausgerechnet wenn wir tatsächlich unsere Freiheit verteidigen müssen, punkten die Freiheitlichen nicht. Es reicht eben nicht, wenn FDP-Chef Lindner den Grünen hinterherläuft und regenerative Energien auf einmal als Freiheitsenergien preist. Dafür verweigert er beharrlich die Antwort darauf, was Zeitenwende denn im Bereich der Fiskalpolitik bedeutet. Den Zeitpunkt, sich in seinem eigenen Verantwortungsbereich neu auszurichten, hat Lindner aber bereits verpasst. Wenn es in NRW nun eindeutig auf Schwarz-Grün hinausläuft, hat das vielfältige Weiterungen in Berlin. Die Grünen verbessern ihre Verhandlungsposition in der Ampel erheblich. Sie können von nun an darauf verweisen, dass Schwarz-Grün auch für den Bund eine Option ist. Friedrich Merz und die CDU können nach den beiden Wahlsiegen in Schleswig-Holstein und NRW zwar aufatmen. Ihre Wahlerfolge bestätigen aber eher die von Merkel betriebene gesellschaftliche Öffnung der Union als die Sehnsucht nach einer Rückkehr zum Konservativismus. Das macht Merz zu einem Moderator des Übergangs – auch wenn ihm das selbst noch nicht bewusst sein mag. Die SPD muss erkennen, dass Olaf Scholz in NRW keinen Kanzlerbonus einbringen konnte. Wer den Stoiker im Kanzleramt kennt, weiß allerdings, dass die NRW-Schlappe keinen Einfluss auf seine Regierungsarbeit haben wird, in dieser Krisenlage schon gar nicht. Das muss kein Fehler sein.

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