Dollar spielt seine Stärke aus, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn


Börsen-Zeitung

Frankfurt (ots)

Mit „one-currency show“ hat die UBS am Freitag ihren wöchentlichen Währungsausblick überschrieben. Eine zutreffende Beschreibung des aktuellen Geschehens an den Devisenmärkten: Denn der Dollar befindet sich in einem spektakulären Höhenflug, der sich zuletzt noch beschleunigt hat. Zum Wochenschluss lag der Dollar-Index, der die Wertentwicklung der US-Währung gegen einen Korb aus anderen Industrieländerdevisen misst, etwas oberhalb von 103 Zählern, ein Anstieg im zu Ende gehenden April von rund 5 Prozent, die stärkste monatliche Entwicklung der amerikanischen Währung seit dem Jahr 2015.

Es ist nicht zuletzt das sehr unsichere Umfeld, geprägt vor allem vom Krieg in der Ukraine sowie den Lockdowns in China, das die Marktteilnehmer auf der Suche nach Sicherheit in den Dollar treibt, so wie dies schon während vergangener Schock-Phasen, etwa nach dem Lehman-Crash, in der Euro-Staatsschuldenkrise und nach dem Beginn der Corona-Pandemie der Fall war. Zudem sind durch die genannten Faktoren die wirtschaftlichen Aussichten Europas und Chinas derzeit deutlich schwächer als die der Vereinigten Staaten.

Von einer „one-currency show“ spricht die UBS nicht zuletzt auch deshalb, weil auch die klassischen Safe-Haven-Währungen, der Schweizer Franken und der Yen, trotz des sehr unsicheren Umfelds im Vergleich zum Dollar Federn lassen müssen. Der Schweizer Franken hat seit dem Jahresbeginn 6 Prozent verloren, die japanische Währung ist mit einer Einbuße von mehr als 11 Prozent sogar der große Verlierer dieses Jahres. Während die Fed klar zu verstehen gibt, dass sie energisch gegen die Inflation vorgehen will, und ihr Chairman Jerome Powell für die Sitzung der Zentralbank in der neuen Woche eine Leitzinsanhebung um 50 Basispunkte signalisiert hat, hat die Bank of Japan in der abgelaufenen Woche zu verstehen gegeben, dass sie an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhalten will. Ein 20-Jahres-Tief der japanischen Währung bei etwas mehr als 131 Yen pro Dollar war die Folge.

Das war einer der Impulse, die den Höhenflug des Dollar in den zurückliegenden Tagen nochmals beschleunigt haben. Der andere war die Ankündigung Russlands, die Gaslieferungen an die EU-Staaten Polen und Bulgarien einzustellen. Das drückte den Euro bis unter 1,05 Dollar. Europa und nicht zuletzt das besonders stark von russischen Energielieferungen abhängige Deutschland wären von einem Ausfall russischer Gaszufuhren sehr stark betroffen. Eine Rezession wäre die unvermeidliche Folge. Experten sehen vor diesem Hintergrund bereits die Parität der Gemeinschaftswährung zum Dollar in greifbare Nähe rücken.

Den Schlüssel dazu hält – neben dem Ukraine-Krieg – wahrscheinlich die Europäische Zentralbank (EZB) in der Hand. Der Druck auf die Notenbank steigt mit jeder Woche, in der andere Notenbanken ihre Leitzinsen anheben. Die schwedischen Währungshüter haben in der abgelaufenen Woche das Ende ihrer Nullzinspolitik mit einer Leitzinserhöhung eingeläutet, neben der Fed wird in der neuen Woche voraussichtlich auch die Bank of England nochmals an der Zinsschraube drehen. Die Schwäche des Euro erhöht den Druck, weil damit die sehr hohe Inflation zusätzlich angeheizt wird. Der in Dollar abgerechnete Ölpreis (Sorte Brent) ist seit dem Jahresbeginn um rund 41 Prozent gestiegen. Aus Sicht des Euroraums kommt dann noch eine Abwertung der Gemeinschaftswährung um rund 7 Prozent hinzu, ihr Fall unter die Parität würde Rohöl ceteris paribus nochmals um 5 Prozent verteuern.

Eben weil der Druck steigt, wird die EZB möglicherweise bald noch deutlichere Signale bezüglich einer herannahenden Leitzinswende geben. Das würde wahrscheinlich den Euro antreiben. Zudem ist ein EU-weiter Gaslieferstopp Russlands keine ausgemachte Sache, sein Ausbleiben könnte den Euro ebenfalls zumindest oberhalb der Parität stabilisieren. Experten gehen außerdem davon aus, dass die Fed ihren Leitsatz mittelfristig nicht so deutlich erhöhen wird, wie derzeit am Markt erwartet wird, weil sie davon ausgehen, dass die Leitzinserhöhungen letztlich das Wachstum in den Vereinigten Staaten empfindlich abschwächen werden. Gut möglich daher, dass der Boden des Euro – ob unter- oder oberhalb der Parität – nach der zurückliegenden Talfahrt gar nicht mehr so weit entfernt ist.

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