Fragil / Kommentar von Jens Kleindienst zu den Folgen der Frankreich-Wahl


Allgemeine Zeitung Mainz

Mainz (ots)

Emmanuel Macron hat Marine Le Pen niedergerungen – entsprechend groß war das Aufatmen in den meisten europäischen Hauptstädten. Doch der Erfolg des wiedergewählten französischen Präsidenten ist ein relativer, und er ist fragil. Bei den nun im Juni anstehenden Parlamentswahlen dürfte Macron seine komfortable Mehrheit einbüßen. Gut möglich, dass er sich dann einer krawalligen Nationalversammlung gegenübersieht, in der die Extremen auf der Rechten und Linken den Ton setzen. Könnte Macron dann noch den Antreiber Europas geben? Eher nicht, jedenfalls nicht als Solist. Die Befürworter der weiteren europäischen Integration haben sich in den vergangenen fünf Jahren zu sehr auf den Hausherrn im Elysée verlassen. Schlimmer noch: Sie haben ihn immer wieder am langen Arm verhungern lassen. Dieser Vorwurf geht im Besonderen an die Adresse Berlins. Fast alle Europa-Initiativen Macrons hat die Regierung Merkel ignoriert oder kleingeredet – einzige wichtige Ausnahme: das mit Krediten finanzierte Corona-Hilfspaket. Der vielbeschworene deutsch-französische Motor läuft deshalb alles andere als rund. Eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik? Bisher Fehlanzeige. Eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts? Ebenso. Die entschlossene Verteidigung des Rechtsstaatsprinzips gegen systematische Verstöße einiger Mitglieder? Bestenfalls halbherzig und immer wieder verschleppt. Die Ampelkoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz hat hier einen Neustart versprochen. Es reicht nicht, Macron zu gratulieren und ihn als Bollwerk gegen Populismus und Chauvinismus in Europa zu feiern. Den Worten müssen Taten folgen.

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